Untertage-Exkurs im Iberger-Suchort-Stollen

Dr. Ralf Nielbock:

Faunen des Eiszeitalters
Die Fundstellen

Im folgenden werden alle heute bekannten Fundstellen mit Quartär-Wirbeltierfauna im Bereich des Landkreises Osterode am Harz mit Kurzangaben zur Entdeckung und Erforschung, zu Grabungen und Fauneninhalt aufgeführt. Die Fundstellennumerierung entspricht der Fundstellenkartei der Archäologischen Denkmalpflege der Landkreisverwaltung. Diese Kartei wird seit 1986 unter Einbeziehung nach der quartärpaläontologischen Fundstellen für das Kreisgebiet fortlaufend erstellt. Die Auflistung erfolgt, nach Gemarkungen abgegrenzt, unabhängig von der zeitlichen Stellung der Funde, in alphabetischer Reihenfolge. Streufunde in räumlich geringer Entfernung werden zusammengefaßt. Für die Tierarten werden die wissenschaftlichen Namen angegeben. Auf die Nennung der Erstbeschreibung wurde, bis auf wenige bewußt angeführte Beispiele, im Rahmen dieser Veröffentlichung verzichtet. Die jeweiligen deutschen Tiernamen sind der Auflistung im Anhang zu entnehmen.

 

Badenhausen: Gipsbruch Roddewig Fst.Nr. 27 (R 35 83 380; H 57 36 840)

 

In den 1960/70er Jahren gab es wiederholt Streufunde von eiszeitlichen Großsäugerknochen in diesem Steinbruch. Sickenberg (1969) gibt ebenfalls Badenhausen an, allerdings ohne genaue Fundortbezeichnung. Zusammengefaßt ergeben sich folgende Fundbelege:

Bison priscus, Bos sp., Cervus elaphus, Coelodonta antiquitatis, Mammuthus primigenius, Megaloceras giganteus, Sus scrofa.

 

Barbis: Bühbergklippe Fst.Nr. 4 ( R 35 97 480; H 57 21 450)

 

Nachdem er in den 1920er Jahren umfangreiche Grabungskampagnen in der Einhornhöhle und der Steinkirche geleitet hatte, führte der damalige Direktor des Nieders. Landesmuseums Jacob-Friesen 1950 im Bereich Scharzfeld und Barbis erneut Ausgrabungen auf der Suche nach ur- und frühgeschichtlichen Funden durch Eine Suchgrabung an den Barbiser Balmen (FSt.Nr.23) verlief enttäuschend, an der Bühbergklippe wurde eine zusedimentierte Kleinhöhle freigelegt. Als einziger Fund kam hier ein fast 50 cm langer Großsäugerknochen zutage. Dieser Skelettrest eines Riesenhirsches belegt aber eindeutig ein pleistozänes Alter für die Höhlenfüllung.

Megaloceras giganteus: Tibia.

 

 

Barbis: Burgruine Scharzfels Fst.Nr. 22 (R 35 97 700; H 57 22 450)

 

Die Burg Scharzfels war im 12. Jahrhundert auf Klippen des Zechsteindolomits erbaut worden. Kleinhöhlen in diesem Bereich wurden durch die Burgerbauer vollständig verändert, im unteren Burghof befindet sich allerdings ein größeres Abri. Hier ließ Jacob-Friesen 1950 in Rahmen seiner neuen Grabungskampagne einen Suchschnitt anlegen In dem Profil zeigte sich, daß erst in einer Tiefe von 1,30 m unter der heutigen Lauffläche ungestörter Dolomitsand ansteht. In einer Tiefe von über 2 m stieß er auf Höhlenbärenknochen: eine eindeutige Befundlage für ein pleistozänes Alter der Schicht.

Ursus spelaeus: Knochenbruch, Eckzahn, Backenzahn.

 

 

Förste: Gipsbruch "Peinemann" Fst.Nr. 17 (R 35 87 540; H 57 33 370)

Im Jahre 1974 wurde bei Abraumbeseitigungsarbeiten im Steinbruch ein Mammutstoßzahn, der sich jetzt in der Ausstellung des Heimatmuseums "Im Ritterhaus" in Osterode befindet, freigelegt. Bei den sofort durch das Geolog. Institut der Universität Göttingen erfolgten Grabungen (Jahnke & Denecke 1976) konnten an dieser Stelle und in einer weiteren Schlotte zahlreiche Säugetierknochen geborgen werden, die neben dem Mammut von nahezu 10 weiteren Arten stammen. Die Zusammensetzung der Säugetierfauna - in Verbindung mit ebenfalls gefundenen Schneckenarten - spricht für eine Datierung der Dolinensedimente in die mittlere Weichsel-Eiszeit. Die Knochen sind somit ca. 30.000 Jahre alt.

Coelodonta antiquitatis: Skeletteile; Mammuthus primigenius: Stoßzahnfragment, Backenzähne, Skeletteile; Rangifer tarandus: Geweihteile; Megaloceras  giganteus: Kiefernbruchstück. Kleinsäuger: Arvicola terrestris, Sorex araneus, Microtus arvalis/agrestris, Lemmus lemmus.

 

 

Neuhof: Gipssteinbruch Kranichstein Fst.Nr.1

Bei dieser Fundstelle handelt es sich um einen Gipssteinbruch ca. 2,5 km südöstlich von Bad Sachsa im Höhenzug des Kranichsteins, am Rande der Ortschaft Neuhof gelegen. Geborgen wurden vor allem Anfang der 1950er Jahre immer wieder Großsäugerknochen.

Bos/Bison sp., Coelodonta antiquitatis, Ursus spelaeus, Sus scrofa.

Das Fundgut beinhaltet u.a. den bislang größten in Niedersachsen gefundene Höhlenbärenunterkiefer.

 

Osterode/ Düna: Kleine Jettenhöhle Fst.Nr.28 (R 35 88 000; H 57 28 000)

In den Jahren 1968 bis 1970 wurden von der "Arbeitsgemeinschaft für Karstkunde Niedersachsen" in der Kleinen Jettenhöhle im Hainholz bei Düna Vermessungsarbeiten und Sondiergrabungen durchgeführt. Neben umfangreichem archäologischem Inventar konnten dabei auch Knochen und Zähne kleiner Säugetiere geborgen werden.

Vulpes vulpes, Microtus sp.; diverse Fledermaus- und Nagetierknochen.

 

 

Osterode/ Düna: Großes Schlottenfeld (R 35 88 000; H 57 28 800)

 

Im Hainholzgebiet wurden zudem 1979 archäologische Sondierungsgrabungen in verschiedenen kleineren Dolinen durchgeführt (Grote 1979). wurde Eine geolog. Alterseinstufung des ergrabenen Fossilfundgutes war nicht möglich.

Bos taurus, Cervus elaphus, Equus caballus, Ovis aries, Sus scrofa.

 

Osterode: Gipsbruch "Niedersachsenwerk" Fst.Nr.35 (R 35 82 240; H 57 32 200)

1963 waren bei Baggerarbeiten in einer dabei angeschnittenen Doline je ein Bison- und ein Wollnashornschädel geborgen worden. Daraufhin wurden von O. Sickenberg (Hannover) Grabungen an dieser Stelle vorgenommen. Insgesamt konnten 5 Großsäugerarten einer früh-weichselzeitlichen Fauna nachgewiesen werden:

Bison priscus: Schädel und Skeletteile; Coelodonta antiquitatis: Schädel und Skeletteile; Equus sp.: Knochen; Panthera spelaea: Knochen; Rangifer tarandus: Knochen und Geweihteile.

 

In diesem Steinbruch wie auch in den südlich gelegenen Gipsbrüchen Hannersberg und Harkenfeld sowie weiteren Brüchen bei Förste konnten in den letzten Jahren wiederholt Großsäugerknochen geborgen werden, vor allem von Coelodonta antiquitatis, Mammuthus primigenius, Equus sp. und von Cerviden.

 

Für den Bereich von Osterode/Förste/Dorste gibt Sickenberg (1969: 102-105) weitere Säugetierfunde in verschiedenen Fundstellen an, bezieht sich dabei aber auch auf ältere Veröffentlichungen. Unter anderem für Förste und Osterode angegeben, in anderen Fundinventaren aber nicht aufgeführt, ist Crocuta spelaea.

Auch in Baugruben im Bereich Osterode (Kälbergraben), Pöhlde und Wulften wurden in den letzten Jahrzehnten vereinzelt Funde von Mammuthus primigenius und Coelodonta antiquitatis gemacht.

 

 

Scharzfeld: Steinkirche Fst.Nr.1 (R 35 95 650; H 57 22 980)

Bei den Ausgrabungen Jacob-Friesens, Provinzialmuseum Hannover, nach 1920 an der Steinkirche wurden neben Artefakten und menschlichen Knochenresten auch viele Fossilien geborgen: Wirbeltierknochen von Säugern, Vögeln, Amphibien und Fischen sowie Mollusken-Schalen. Schlosser (1927) führte die Erstbestimmung der Funde durch. Aus der Verteilung der fast 50 Vertebraten-Arten auf die einzelnen Schichten folgerte Schlosser, daß innerhalb der Sedimentationszeit eine Klimaverbesserung eintrat. In den liegenden Schichten herrschen noch kaltzeitliche Formen mit Rangifer tarandus (Rentier) als prägendes Element vor. Diese Fauna, von Sickenberg (1969) ins Alleröd gestellt, wird abgelöst von einer dem Präboreal zugeordneten Fauna, die zwar noch kaltzeitliche Reliktelemente wie Lagopus lagopus und L. mutus enthält, aber bereits durch Talpa europaea (Maulwurf) und Wühlmausarten geprägt ist.

 

Im ganzen gibt Schlosser folgende, von Zotz (1930) und Sickenberg überarbeitete Wirbeltier-Faunenliste für die Steinkirche an (Nomenklatur aktualisiert):

pleistozäne Schichten:

Sorex alpinus, Sorex minutus; Phodopus sungorus, Lemmus lemmus, Dicrostonyx henseli, Arvicola terrestris, Microtus agrestis, Microtus arvalis, Microtus oeconomus, Microtus nivalis, Microtus gregalis; Lepus timidus, Ochotona pusilla; Alopex lagopus, Vulpes vulpes, Mustela nivalis, Mustela erminea; Rangifer tarandus, Capreolus capreolus, Bos sp., Equus sp.; Lagopus mutus, Lagopus lagopus, Tetrao tetrix, Anas sp., Rallus sp., weitere Vogelarten; Esox lucius, weitere Fischarten.

holozäne Schichten:

Talpa europaea, Sorex alpinus, Sorex minutus; Cricetus cricetus, Lemmus lemmus, Arvicola terrestris, Microtus agrestis, Microtus arvalis, Microtus oeconomus, Microtus gregalis; Alopex lagopus, Vulpes vulpes, Mustela herminea, Mustela krejcii; Capreolus capreolus, Bos sp.; Lagopus mutus, Lagopus lagopus, Tetrao tetrix, Anas sp., Rallus sp., weitere Vogelarten; Rana temporaria; Triton sp., Esox lucius, weitere Fischarten.

Weitere Grabungen waren in der Steinkirche nicht möglich, da durch eine der Jacob-Friesen-Kampagne in den 1930er nachfolgende SS-Grabung, die der Suche "Germanischer Kultstätten" galt, das gesamte Areal Vorplatz und Höhle systematisch durchwühlt wurde und somit für moderne Untersuchungsmethoden keine (Be)funde mehr übrig sind.

Scharzfeld: Abris am Schul-Berg Fst.Nr. 10,11,12,25,27,29

(mehrere Fundstellen um R 35 96 100; H 57 23 000)

Die neben der Steinkirche und der Einhornhöhle im Dolomitkarst der Umgebung von Scharzfeld vorhandenen weiteren Kleinhöhlen und Abris weisen ebenfalls quartäre Faunenreste auf. Untersucht wurden die Abris am Schulberg und dem Steinberg von Zotz (1930), die Bestimmungsarbeiten der Vertebraten wurden wie auch bei den Steinkirchen-Funden von Schlosser durchgeführt. Eine Zusammenfassung der Grabungsbefunde unter Einbeziehung der zeitlichen Stellung der Faunen erfolgte durch Grote (1982). Beide Autoren geben die folgenden Fundkomplexe an (die Wirbeltiernamen wurden jetzt der gültigen Nomenklatur angepaßt):

 

Abri Schul-Berg/ Jugendheim (überwiegend holozäne Formen):

Vesperugo sp.; Erinaceus europaeus; Arvicola terrestris, Microtus oeconomus, Clethrionomys glareolus, Apodemus sylvaticus; Vulpes vulpes; Capreolus capreolus; Bufo bufo, Rana esculenta.

 

Abri Schul-Berg/ Felsenburg (überwiegend holozäne Formen):

Vespertilio sp.; Arvicola terrestris, Microtus sp.; Lepus timidus; Felis silvestris; Capreolus capreolus, Cervus elaphus, Sus scrofa, Bos sp., Ovis sp.; Rana esculenta; Gallus sp., Turdus sp., Coccothraustes sp..

 

Abri Schul-Berg/ Lüttje Kammer (obere holozäne Schichten):

Bufo bufo; Sciurus vulgaris, Castor fiber; Lepus timidus; Felis silvestris, Vulpes vulpes, Martes martes; Sus scrofa, Ovis sp., Cervus elaphus, Capreolus capreolus; Corvus sp., Nucifraga caryocatactes, Picus sp..

Abri Schul-Berg/ Lüttje Kammer (liegende Schicht mit holozänen "Wühlern", aber auch pleistozänen Formen):

Sorex araneus; Cricetus cricetus, Arvicola terrestris, Microtus agrestis, Microtus arvalis, Microtus oeconomus, Dicrostonyx henseli, Apodemus sylvaticus; Lepus sp.; Mustela nivalis, Mustela krejcii; Rana sp., Salamandra salamandra; Lagopus lagopus; Ardea sp.; Pisces indet..

 

Abri Schul-Berg/ Wasserwerk (holozäne Formen):

Erinaceus europaeus; Castor fiber, Microtus sp.; Lepus sp.; Lynx lynx, Vulpes vulpes, Meles meles; Capreolus capreolus, Bos sp., Cervus elaphus; Rana sp.; Columba sp., Corvus sp., Gallus sp., Lagopus lagopus, Tetrao tetrix, Aves indet..

 

Abris Steinberg:

Cricetus cricetus; Sus scrofa, Bos sp.; Vulpes sp., Martes martes.

 

Die genannten Abris sind größtenteils vollständig gegraben und teilweise durch Straßenbautätigkeit in den 1970er Jahren stark in Mitleidenschaft gezogen worden, moderne Untersuchungen somit nahezu ausgeschlossen. Abris-Grabungen im potentiellen Fundgebiet der Einhornhöhle stehen allerdings insgesamt noch aus, wobei an den Brandköpfen und den Rottsteinklippen eine Vielzahl an Abris und zusedimentierten Kleinhöhlen, u.a. die Kaiserklippenhöhle im Bereich eines heute zerfallenen, ursprünglichen Höhlenportals der Einhornhöhle, vorhanden ist.

 

Walkenried

Ohne genaue Fundlokalitäten gab schon Struckmann (1884) für Walkenried nur eine Fossilliste an, die von Sickenberg (1969) und auch hier nur wiederholt werden kann:

Bison priscus, Bos primigenius, Cervus elaphus, Coelodonta antiquitatis, Equus sp., Rangifer tarandus.

 

 

Ausblick

 

Der vorliegende Beitrag hat u.a. aufgezeigt, daß sich zwar bereits "Generationen" von Paläontologen und Urgeschichtlern mit der Materie Südharz-Quartärsäugetiere befaßt haben, die Erforschung dieses Fachbereiches aber noch lange nicht abgeschlossen ist. Im Gegenteil, gerade durch die letzten Untersuchungen der Einhornhöhle und ihrer Umgebung wurde deutlich, daß hier noch viele paläontologische und archäologische Funde der Entdeckung harren. Ein reiches Betätigungsfeld zukünftiger interdisziplinären Grabungen.

 

 

 
Die Funde (page1)      Die Fundstellen (page2)     Die Bibliographie (page3)